Montag, 19. Januar 2009

Bodo (Textauszug)

Das Öffnen der Wohnungstür verursachte einen merkwürdig ungewohnten Hall… „Schatz?“
Bodo stellte seine Tasche beiseite und ging zögerlich durch den Flur in die Küche… „Lizzy?“
Da stand kein Essen auf dem Tisch und mit dem Tisch selbst schien auch irgendetwas nicht so ganz zu stimmen. Nicht, dass der Tisch nicht ein wunderschöner Tisch gewesen wäre, so war es nun nicht, und immerhin handelte es sich hierbei um eine Antiquität… oder sagen wir mal eine täuschend echte Nachbildung einer Antiquität, die aber immerhin aus echtem, oder sagen wir sehr gut imitiertem Kirschholz bestand. Jeder hätte die besonders hohe Qualität des Holzes bestätigen können, wäre der Tisch da gewesen. Allerdings befand sich der Tisch nun nicht mehr ganz genau an dem Ort, an dem Bodo ihn das letzte Mal gesehen hatte – nicht exakt jedenfalls und so hatte er ihn im ersten Moment gar nicht bemerkt.

Bodo war nicht pingelig in solchen Angelegenheiten, immerhin hatte Lizzy sein Geld bei der Auswahl der Möbel sehr gut investiert und gelegentliches Umräumen und Umgestalten fand er durchaus erfrischend – Lizzy war eine versierte Interieurkünstlerin, jedoch, und das musste Bodo dann doch kritisch anmerken, wirkte die aktuell gegebene Küchensituation für seinen Geschmack ein wenig zu puristisch... was im wesentlichen wohl daran lag, dass der Tisch nicht nur nicht so ganz an seinem gewohnten Platz war, sondern sich zudem auch nicht mehr so ganz in der Küche befand… was dann natürlich viel Platz für die anderen Möbel lies.

Die anderen Möbel, das war klar, kamen dadurch aber besonders schön zur Geltung!

Mit den übrigen Möbeln war das allerdings so eine Sache… man musste schon genau hinsehen, um sie angesichts der angenehmen Weitläufigkeit der gegebenen Küchensituation noch erkennen zu können und wenn man dann ein paar Schritte näher heranging, musste man doch erstaunt feststellen, dass sie sich … ebenfalls nicht mehr in der Küche befanden. Nicht, dass sie verschwunden gewesen wären, sie befanden sich nur jetzt an einem anderen Ort außerhalb der Küche und als Bodo den Rest der Wohnung abging folgerte er, dass sich auch die restliche Einrichtung dort befinden musste, wo jetzt die Küchenmöbel waren... was den Gesetzen der Logik nach ein Ort außerhalb der Wohnung sein musste.

Da Lizzy jedoch ebenfalls nicht aufzufinden war, machte Bodo sich keine Sorgen um die Möbel – sicher waren diese in Lizzys Obhut und waren dort gut aufgehoben.

Ja, die Möbel, inklusive des gigantischen Plasmafernsehers, zu dessen Anschaffung Lizzy in gedrängt hatte mitsamt der Comicsammlung, an der Bodos ganzes Herz hing, waren bei Lizzy sicher in den besten Händen.

Was ihn dann jedoch leicht beunruhigte war die Tatsache, dass diese Veränderung ein bisschen zu plötzlich kam und in dieser, ja man könnte fast sagen extremen Form, eigentlich nicht zu erwarten gewesen wäre.

Bodo war schon ein wenig nervös, ging fast ein bisschen benommen in die Küche zurück und betrachtete einen Augenblick lang die dunklen Flecken, die die Stellen umrissen, an denen der Herd mal gestanden hatte.

Während seine Hände zusehends in Starre verfielen, begann sein Herz wie wild zu schlagen und in Bodos Kopf liefen die Gedanken zäh und ungeordnet wie Ströme flüssiger Lava.

Irgendetwas war passiert und Bodo lief die Wohnung noch einmal ab, suchte nach Hinweisen, irgendwelchen Anzeichen für Irgendetwas, das er immer noch nicht recht begriffen hatte. Und als er gerade die Wohnungstür auf Einbruchspuren untersuchen wollte, kam die Antwort mit der gnadenlosen Unausweichlichkeit eines Steuerbescheids.

An der Tür hing ein Notizzettel, von dem Block, den er jeden Morgen benutzte um Lizzy noch eine kleine Liebesbotschaft zu hinterlassen bevor er zur Arbeit ging. Die kleinen rosa Herzchen am Rand hatte er schon an die hundert mal gesehen und in der linken unteren Ecke war eine kleine weiße Maus mit überproportional großen Füßen abgebildet, die fröhlich winkte:


Hallo!

Wie Du siehst bin ich nicht da.

Das liegt daran, dass ich Dich verlassen habe.

Viele Grüße,

Lizzy

PS: Flecken auf Küchenboden entfernen. Schlüssel bis zum 31. zum Vermieter.


Für einen kurzen Moment passierte nichts. Dann, nach schätzungsweise sieben Augenblicken, lies Bodo sich, in einer Bewegung, die jegliche körperliche Gewandtheit missen lies, die Wand hinab auf den Boden gleiten und nichts fuhr fort zu passieren.

Was nun, da er mit offenem Mund auf dem Boden saß und fassungslos die Wohnungstür anstarrte, in seinem Kopf vorging, hätte unschmeichelhafte Rückschlüsse über Bodos Geisteszustand zugelassen. Man kann jedoch zu seiner Verteidigung anführen, dass er nicht der erste Mensch war, dem die Liebe Vernunft und Urteilskraft geraubt hatte und dessen Blick auf die Realität im Zuge des Einflusses einer Beziehung gelitten hatte.

Dies lässt sich auch anhand großer Liebesdramen wie Romeo und Julia, oder Othello belegen, welche zwar einst ungelesen in Bodos Bücherregal gestanden hatten, nun aber glücklicher Weise mit den Möbeln in einem kleinen LKW in Richtung Lüneburg unterwegs waren und ihn somit zumindest nicht auf noch dümmere Gedanken bringen konnten.

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